Immunzellen entwickeln sich im ersten Trimester der Schwangerschaft. Einige dieser Zellen durchlaufen in dieser Zeit enorme Phasen der Reifung, beispielsweise um die Fähigkeit zu erwerben, spezifische Krankheitserreger zu erkennen und zu bekämpfen.
Der größte Teil der Immunreifung geschieht noch vor dem Schulalter, die volle Kapazität wird allerdings erst im zweiten Lebensjahrzehnt erworben.
Der größte Teil der menschlichen Immunabwehrmechanismen verschlechtert sich unter Fehlernährung, insbesondere bei einem Mangel an bestimmten Mikronährstoffen. Beispiele für eine „Fehlprogrammierung“ des Immunsystems durch Ernährung finden sich bei intrauteriner Wachstumsretardierung, mütterlichem Mangel an Mikronährstoffen (Vitamine A, D, Folsäure und Zink) sowie unzureichender Säuglingsernährung. Der Mangel an essentiellen Nährstoffen beeinflusst die sich schnell vermehrenden T-Zellen, einer spezifischen Art von Immunzellen. Starke und chronische Mangelernährung kann sogar zum Abbau des Thymus, dem Basisorgan des Immunsystems, führen[1].
Muttermilch erfüllt durch seine besondere Zusammensetzung eine Vielzahl an Funktionen. Unter anderem besitzt sie antimikrobielle Eigenschaften und reduziert dadurch die Häufigkeit gastrointestinaler Infektionen im Säuglingsalter[2]. Werden Säuglinge beispielsweise mehr als vier Monate gestillt, zeigen sie, im Vergleich zu nicht gestillten Säuglingen, weniger Atemtraktsinfektionen, die zu einem Krankhausaufenthalt führen[3]. Weiterhin kann Stillen vor Harntrakt- und Mittelohrentzündungen schützen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen auch, dass Muttermilchernährung entzündliche Prozesse wie Allergien verhindern kann[4] und vor chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa schützt[5]. Viele dieser positiven Eigenschaften der Muttermilch wirken weit über die Zeit des Stillens hinaus.
Rolle der langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCP)
Etwa 25 Prozent der Lipide in Immunzellen enthalten langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (LCP)[6; 7; 8]. Daher kommt ihnen eine Schlüsselrolle für Immunzellen zu.
Aus wissenschaftlicher Sicht hat ein ausgewogenes LCP-Profil der Immunzellen eine hohe Bedeutung für deren optimale Regulierung und Reifung sowie für eine angemessene Immunantwort auf Stimuli. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass ein suboptimales LCP-Profil zu einer unausgewogenen Entwicklung und Funktion des Immunsystems führen kann, beispielsweise zu einer unangemessen hohen Immunreaktion wie bei Allergien oder zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit[9].
Interventionsstudien bei Kindern weisen darauf hin, dass LCP die Reifung und Funktion von Lymphozyten beeinflussen, die einen wichtigen Teil des Immunsystems darstellen[10; 11]. Dies ist insbesondere in Phasen schnellen Wachstums und hoher Entwicklung relevant, wie sie in der Säuglings- und Kleinkindzeit vorliegen[12]. Während dieser Phasen konkurriert das Immunsystem mit anderen Geweben, wie dem Herz-Kreislauf- oder dem zentralen Nervensystem, um die zur Verfügung stehenden LCP. Noch fehlen gut geplante klinische Studien bei Säuglingen, die den Zusammenhang zwischen LCP und dem Immunsystem zeigen. Trotzdem gibt es bereits heute eindeutige, wissenschaftliche Hinweise darauf, dass LCP ein hohes Potenzial haben, Gesundheitseffekte im Immunsystem für Neugeborene und ältere Kinder zu haben.
Rolle der Oligosaccharide
Die Entwicklung einer gesunden Darmflora im Säuglingsalter ist entscheidend, um bereits früh die Vielzahl an krankheitserregenden Keimen zu vermindern. Eine gesunde Darmflora im Säuglingsalter sorgt für ein stabiles und gesundes Darmmilieu auch im späteren Alter, was Voraussetzung für eine gute Infektabwehr[13; 14] sowie Schutz vor Allergien ist[14; 15; 16].
Humane Milch-Oligosaccharide (HMOs) stellen die dritthäufigste Gruppe von Inhaltsstoffen in Muttermilch dar. Diese Oligosaccharide liegen in über 200 unterschiedlichen Strukturen in Muttermilch vor und haben verschiedene positive Effekte für Säuglinge.
Dazu zählen das Fördern einer bifidogenen Darmflora, der Schutz vor pathogenen Bakterien und damit auch der Schutz vor Infektionen und Entzündungen. Die Besonderheit von HMOs liegt in ihrem besonderen Verhältnis, in dem die unterschiedlichen Strukturen in Muttermilch vorkommen. So liegen etwa 90% der Strukturen in kurzkettiger Form vor und etwa 10% in langkettiger Form. Durch diese Kombination stärken HMOs den gesamten Darmtrakt des Säuglings und dessen Immunsystem[17; 18].
In unserer Muttermilchforschung konnte eine prebiotische Mischung entwickelt werden, die die Struktur und Funktionalität der Muttermilch-Oligosaccharide imitiert. Diese spezielle Kombination von 90 Prozent kurzkettigen Galacto-Oligosacchariden (scGOS; Polimerisationsgrad von 3-8 Galaktosemolekülen) und 10 Prozent langkettigen Fructo-Oligosacchariden (lcFOS; Polimerisationsgrad von mehr als 23 Fruktosemolekülen) ähnelt Muttermilch-Oligosacchariden in ihrer Molekulargröße sowie -verteilung[19; 20] (s. Abb. 1).
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Säuglingsnahrungen mit scGOS/lcFOS (im Verhältnis 9:1) gesundheitsfördernde Effekte auf chemische, mechanische, biologische und immunologische Ebenen der menschlichen Abwehr haben. Sie fördern den Aufbau einer bifidogenen Darmflora, vergleichbar wie bei Muttermilchernährung[21].
Weiterhin fördern sie die Entstehung von kurzkettigen Fettsäuren (engl. short-chain fatty acids; SCFA) im Darm, die zu einem niedrigen pH-Wert führen, der die Vermehrung von pathogenen Keimen erschwert[22; 23].
Dieses intestinale SCFA-Muster verstärkt den Schutz durch die intestinale Darmbarriere (mechanische Abwehr)[24; 25; 26].
Neueste Erkenntnisse zeigen, dass Säuglingsnahrungen die eine Kombination aus scGOS/lcFOS und HMOs enthalten (s. Abb. 2) einen positiven Einfluss auf Darm- und Immunparameter haben, gut verträglich sind und zu Stühlen ähnlich der gestillter Kinder führen[29; 30; 31; 32].
In Studien mit Aptamil-Säuglingsnahrungen mit scGOS/lcFOS (9:1) in einer Konzentration von 0,8g/100ml zeigte sich, dass diese Nahrungen die Inzidenz an weit verbreiteten Infektionen, an Fieberepisoden sowie Antibiotikaverschreibungen verringern [33; 34; 35; 36].
Diese Gesundheitseffekte konnten bisher über einem Zeitraum von fünf Jahren gezeigt werden[36].
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