Fütterprobleme sind bei Säuglingen und Kleinkindern keine Seltenheit. Entwickelt sich daraus aber eine ausgewachsene Essstörung, ist Vorsicht und Fingerspitzengefühl geboten.
Unter Fütter- und Essstörungen leiden etwa 15 – 25% aller gesunden Säuglinge.¹ Dauern diese an, können sie zur Bewährungsprobe für die Eltern-Kind-Beziehung werden. Das Problem: Die Diagnose gestaltet sich oft schwierig. Denn für den Kinderarzt ist die Unterscheidung zu zeitweise auftretenden Fütterproblemen alles andere als einfach.
Wird die Diagnose „frühkindliche Essstörung“ schließlich gestellt, haben Eltern und Kind oft schon einen monatelangen Leidensweg hinter sich. Doch wie entstehen frühkindliche Essstörungen?
Organische Ursachen sind selten der Auslöser
Die möglichen Auslöser einer frühkindlichen Essstörung sind vielfältig, aber nur in etwa einem Viertel der Fälle ist eine organische Ursache der Grund dafür, etwa gastrointestinale oder chronische Erkrankungen. In der Mehrzahl der Fälle liegt die Ursache bei den Bezugspersonen, also den Eltern.¹
In vielen Fällen beginnt mit der Nahrungsverweigerung des Säuglings ein Teufelskreis, dem sich die Eltern nur schwer entziehen können, denn ausreichendes Essen ist für sie Grundvoraussetzung dafür, dass ihr Kind optimal gedeiht.¹ Eine pathologische Mutter-Kind-Beziehung ist dabei nicht zwangsläufig die Ursache. Im Gegenteil, der Auslöser kann sogar sehr simpel sein.²
Spirale aus Ablehnung und Frustration
Denn Art, Menge und Zeitpunkt der angebotenen Nahrung sind entscheidende Faktoren beim Füttern des Säuglings. Stimmen diese nicht mit seinen Bedürfnissen überein oder – so einfach es klingt – treffen Konsistenz und Geschmack gerade nicht die Vorlieben des Kindes, kann die Nahrung verweigert werden.² Die Erwartungen der Eltern oder der Bezugspersonen stimmen dann nicht mit den Bedürfnissen des Kindes überein. Es entsteht Frustration auf beiden Seiten: Die Erwartungen der Eltern werden nicht erfüllt, die Bedürfnisse des Kindes nicht befriedigt.²
Aus Sorge halten die Eltern dann keinen ausreichenden Abstand zur nächsten Mahlzeit ein, bieten immer häufiger und drängender Zwischenmahlzeiten an, die das Kind darum häufig wieder ganz oder teilweise ablehnt.² Unruhe und Frustration nehmen zu – das spürt auch das Kind, welches sich seinerseits bedrängt und frustriert fühlt und darum wiederholt die Nahrungsaufnahme verweigert. Ein Teufelskreis entsteht, aus dem Eltern und Kind nur noch schwer ausbrechen können.
Füttern wieder zum positiven Erlebnis machen
Essverhalten und Fütterungssituation bestimmen dann maßgeblich die Mutter-Kind- oder Eltern-Kind-Beziehung. Versteht das Kind, dass es nicht primär für sich, sondern für die Mutter oder sein Umfeld isst, wird das Füttern zum Ventil, zum Hebel, um zu belohnen und zu bestrafen.² Aus dieser Spirale, aus zeitweise empfundener gegenseitiger Ablehnung und Frustration, auszubrechen, fällt ohne professionelle Hilfe schwer. Ziel ist es, möglichst frühzeitig zu intervenieren und den Eltern dabei zu helfen, Füttern wieder als positive Erfahrung und Befriedung kindeseigener Bedürfnisse zu gestalten.
Probleme aufzeigen, Auswege anbieten
Die Aufklärung der Eltern ist der erste Schritt, um das Problem zu lösen. Erst wenn diese begreifen, dass sie in einem Teufelskreis stecken, lässt sich dieser durchbrechen. Schuldgefühle und Frustration lassen sich dann leichter abbauen. Nur so lassen sich im zweiten Schritt notwendige Verhaltensänderungen und Regeln bei der Fütterung durchsetzen, zum Beispiel:¹ ²
- regelmäßige, feste Mahlzeiten einführen und beibehalten
- nur bei ausreichender Nahrungsaufnahme zwischendurch Essen erlauben
- auf die Nahrungswünsche des Kindes eingehen
- bei klarer Abwehrreaktion das Füttern abbrechen
- das Kind nicht zum Essen zwingen
- selbstständiges Essen oder den Wunsch nach mehr belohnen
In vielen Fällen lässt sich das Problem so lösen oder zumindest die Situation deutlich entspannen – vorausgesetzt die im Idealfall gemeinsam mit dem Kinderarzt erarbeiteten Regeln werden konsequent eingehalten. Spezialisierte Zentren bieten Hilfe und sollten frühzeitig in die Behandlung mit eingebunden werden.
Quellen
- Hofmann-Aßmus M (2005) Wenn Kinder nicht essen wollen. Pharmazeutische Zeitung 10/2005.
- Kappes M. Ärztekammer Hamburg (2013) Eßstörungen bei Säuglingen und Kleinkindern.