Im Dreiländervergleich sind deutsche Frauen Spitzenreiter bei der Einnahme von Medikamenten. Während der Gesamtverbrauch an verordneten Medikamenten pro Einwohner in Österreich mit knapp 750 Einzeldosen pro Jahr dem europäischen Durchschnitt entspricht, liegt er für die Schweiz 30 Prozent und für Deutschland sogar 50 Prozent höher.[1] Beruhigend ist dagegen, dass Frauen im Alter zwischen zwanzig und Mitte dreißig mit durchschnittlich 90 bis 145 Tagesdosen pro Jahr so wenig Medikamente einnehmen wie sonst in ihrem ganzen Leben nicht mehr. Im Vergleich: Eine durchschnittliche deutsche 80-Jährige konsumiert fast 1.700 Tagesdosen pro Jahr.[2]

Wenige problematische Arzneien

Trotz des relativ geringen Gesamtverbrauchs in dieser Altersgruppe ist Vorsicht geboten. Denn oft werden Medikamete eingenommen, die in der Stillzeit problematisch sein können. Am meisten werden jungen Frauen Schilddrüsentherapeutika, gefolgt von Psychoanaleptika, also Mitteln bei Depressionen und Konzentrationsschwäche, sowie Asthmamittel und Antbiotika verordnet.[2] Besonders problematisch sind hierbei Kombinationspräparate.[3]

Dabei gehen nicht alle Arzneistoffe in die Muttermilch über oder haben nachteilige Auswirkungen auf das Kind. Laut der American Academy of Pediatrics (AAP) zählen insbesondere Schmerzmittel, Antidepressiva und Medikamente zur Behandlung von Drogen und Alkoholmissbrauch oder Raucherentwöhnung zu den häufigsten besorgniserregenden Produkten in der Stillzeit.[4]

Relativ unbedenkliche Arzneien

Laut der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gelten folgende Wirkstoffe zur Behandlung von Alltagserkrankungen in der Stillzeit als relativ unbedenklich:[5]

  • Ibuprofen und Paracetamol bei Kopf- und Zahnschmerzen,
  • Acetylcystein in schleimlösenden Medikamenten,
  • Penicillin als Antibiotikum gegen bakterielle Infektionen,
  • Natriumpicosulfat bei Verstopfung,
  • Dimenhydrinat bei Übelkeit und Erbrechen,
  • Magaldrat bei Magenbeschwerden,
  • Loratadin bei Allergien und
  • Theophyllin bei Asthma.

Aber auch diese Wirkstoffe wie auch die Anwendung pflanzlicher Mittel wie Kräutertees und ätherischer Öle sollten laut BZgA ausführlich mit der Stillenden besprochen werden.[5]

Das BZgA rät, bei leichten Infekten erst einmal auf Hausmittel zurückzugreifen:

  • Bei festsitzendem Husten oder Verstopfung hilft es oft schon, viel zu trinken.
  • Bei einer Erkältung bringen Nasenspülungen und Inhalationen schnell Linderung.
  • Gegen eine verstopfte Nase reicht meist ein niedrig dosiertes Kindernasenspray.[5]
  • In der Regel sind homöopathische Mittel (als Tabletten und Globuli, keine alkoholhaltigen Tropfen) in hohen Potenzen (ab D6) unbedenklich, da die Konzentration der Wirkstoffe äußerst gering ist.[9]

Risikoabwägung

Um Risiken abzuwägen, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören die Notwendigkeit des Arzneimittels für die Mutter, die möglichen Auswirkungen auf die Milchproduktion, die Menge des in die Muttermilch ausgeschiedenen Arzneimittels, das Ausmaß der oralen Resorption durch das stillende Kind und mögliche nachteilige Auswirkungen auf das gestillte Kind.[4] Auch das Alter des Säuglings ist wichtig, da unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit einer Arzneimitteleinnahme während der Stillzeit am häufigsten bei Neugeborenen auftreten, die jünger als zwei Monate sind, und selten bei Säuglingen, die älter als sechs Monate sind.[6]

Nachschlagen bei www.embryotox.de

Seit 1988 bietet das Embryotoxikologische Institut der Charité-Universitätsmedizin Berlin unabhängige und gesicherte Informationen zur Verträglichkeit von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit an, seit Oktober 2008 auch online.[7] Aktuell sind in dieser frei zugänglichen Datenbank Bewertungen von mehr als 400 Arzneimitteln verfügbar, darunter auch einige Naturheilmittel. International kann auch bei LactMed nachgeschlagen werden.[8]

Stillunterbrechung nur im Notfall

Stillen ist das Beste für Mutter und Kind und es gibt nur sehr selten die Notwendigkeit, aufgrund einer medizinischen Therapie der Mutter das Stillen zu unterbrechen. Falls doch, kann die Milchbildung mit einer Milchpumpe aufrechterhalten werden (die abgepumpte Milch wird dann verworfen). Nach der Therapie kann die Mutter wieder ganz normal weiterstillen und das Kind alle Vorteile des Stillens weiterhin genießen.

Quellen

  1. Institut für Pharmaökonomische Forschung 2015 (https://www.lbg.at/static/content/e173427/e188234/file/ger/Apotheke%20in%20Zahlen%202018.pdf).
  2. GKVArzneimittelindex 2017 (https://www.wido.de/forschungprojekte/arzneimittel/arzneimittelverbrauch/).
  3. Hotham N & Hotham E. Arzneiverordnung in der Praxis 2016;43:92–8.
  4. Sachs HC. Pediatrics 2013;132:e796–809.
  5. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/nach-der-geburt/das-wochenbett-von-a-bis-z/stillen-von-a-bis-z/stillen-undmedikamente/).
  6. Anderson PO et al. Clin Pediatr (Phila)2003;42:325–40.
  7. https://www.embryotox.de.
  8. https://toxnet.nlm.nih.gov/newtoxnet/lactmed.htm.
  9. https://www.still-lexikon.de/arzneimittel-und-stillen/.